Profitabel ohne Abhängigkeit von Werbung? Wie es mit den Fachmedien nach Corona weitergeht

Die Fachpresse blickt auf die vergangenen Monate mit gemischten Gefühlen zurück: Einerseits zeigte sich der große Bedarf an Qualitätsjournalismus. Andererseits setzen weggebrochene Werbeeinnahmen viele Titel unter Druck. Ein Weckruf, Abo- und Paid-Content noch energischer voranzutreiben – und hier im Marketing auch stärker auf Datenstrategien zu setzen.

von Sigrid Sieber, Geschäftsführerin von DataM

Auf dem Digitalkongress des BDZV im Mai 2020 stimmten 41 Prozent der TeilnehmerInnen der Aussage zu, dass Publisher auf Erlösmodelle jenseits der Werbung setzen müssten. 

Ein ähnliches Bild ergab bereits die die Umfrage „Trends der Zeitungsbranche 2020“, die der BDZV im Februar 2020 veröffentlicht hat: 98 Prozent der befragten Verlage gab an, dem Thema „Paid Content“ „existenzielle Relevanz“ und „hohe Relevanz“ zuzuweisen.

Digital-Abos als Kern der Vertriebsstrategie wurden sogar als einer der drei Top-Trends in 2020 gelistet.

Corona zeigt: Abo- und Paid-Content Modelle sowie die Digitalisierung der eigenen Vertriebswege müssen jetzt noch energischer vorangetrieben werden. Nur so lassen sich die bisher zu verzeichnenden Werbeeinbrüche mittel- und langfristig verkraften.

Die gute Nachricht ist, dass viele Menschen wieder bereit sind, für hochwertigen Content zu zahlen. Es geht für die Verlage darum, an jedem Touchpoint den Gegen- und Mehrwert des eigenen Angebots zu dokumentieren – und aktuelle Kundenerwartungen an Allgemein-Abos noch besser abzubilden.

Hier kommt es auf die Ausgestaltung der einzelnen Parameter an. Die Streamingdienste zeigen wie es heute gemacht wird. Die Grundlage ihrer Abo-Modelle ist Flexibilität und Individualität. Übertragen auf Abos hieße das:

  • Kombination von Print- und Online-Segmenten
  • kurze Kündigungsfristen etwa  auf Monat-zu-Monat-Basis oder in Form von Tagespässen
  • Themen-Bundling: Kunden/innen können einzelne Bereiche wie in einem „Baukasten“ zu Bundles kombinieren und z.B. die Bereiche ausklammern, die nicht von Interesse sind
  • Individuelle Membership-Angebote, die mehrere Zugänge verfügbar machen (z.B. für Team-Kollegen/innen). Für die Pricing-Modelle heißt das z.B. das Angebot von Firmenlizenzen oder sogenannten „Staffelpreise“; schließen mehrere Personen ein Abo ab, wird es günstiger. Gerade im B2B-Bereich ist das Bedürfnis, individuell und kompetent informiert zu werden und alle Insights der eigenen Branche zu kennen, stärker denn je – und hat seine Mehrwerte auch während der Corona-Krise gezeigt

Was eine auf gewandelte Kundenbedürfnisse angepasste Abo-Strategie auf der einen Seite darstellt, ist auf der anderen Seite der Einsatz von smartem Datenmanagement über alle Touchpoints hinweg, um auch entsprechend Abos zu vermarkten. Gerade Verlage, die neben den Fachtiteln auch andere Dienstleistungen, wie z.B. Events anbieten, können noch viel mehr aus ihren Assets machen. Gemeint ist damit, z.B. Datenpunkte, die User im eigenen System hinterlassen, über alle Verkaufsstellen “bruchlos” miteinander zu verbinden.

Angefangen bei B2B-Events über Fachbuchverkäufe (z.B. über Codes / Bereitstellung kostenlosen Contents beim Erwerb des Titels) bis hin zur Newsletter-Anmeldung. Aus dieser Vernetzung von Mehrwerten konfiguriert sich die Leistungsfähigkeit von neuen Membershipmodellen, die weit über das Abo, also den regulären Bezug von Printprodukten hinausgehen.

Dabei muss es darum gehen, jenseits von Print zu denken und die eigenen Titel und die Mehrwerte eines Abo auch im Sinne der Teilhabe an einer Informationscommunity akzentuieren. Branchenservices, Workflow-Solutions und VIP-Events können Teil dieser Wissenscommunity sein. Dabei bleibt die Medienmarke als Printprodukt, am besten als Premiumprint, der stärkste Brandmaker, um den sich die Membership-Mehrwerte gruppieren.

In der aktuellen Corona-Krise waren die Portale erfolgreich, die sich als Sprachrohr und zentrales Informationsportal ihrer Branche positionieren konnten und die spezielle Wertigkeit, gerade von hochwertigem Fachjournalismus, dokumentierten. Deshalb ist jetzt wichtig, den Schub zur Digitalisierung nutzen und in die Umsetzung der datenbasierten Ansätze gehen.

Fachmedien sind ein Vertrauens- und Informationsanker. Dieses Faktum wurde sicherlich vielen Menschen in der Krise wieder stark bewusst. Hier liegt enormes Potential was den Ausbau digitaler Abo-Modelle und Paid-Content anbetrifft, die Richtung muss also sein: Neue Leser/Innen durch datenbasierte Ansätze für die Zukunft halten. 

Über die Autorin

Sigrid Sieber ist Geschäftsführerin der DataM-Services GmbH, einem Anbieter für plattformübergreifendes Adressdatenmanagement, Direktmarketing, Leadgenerierung und Vertriebsconsulting aus Würzburg. DataM ist eine 100%-Tochter der Vogel Communications Group und betreut aktuell rund 650.000 Abos und 250 Titel.

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